Die Welt

Allgemein 10. Februar 2016

Farbfunken vom Wegesrand

von Belinda Grace Gardner

Birgit Brandis: „Strata“ in der Galerie Levy

Wie der Anflug auf einen riesigen Stern in funkelndem Kosmos, ein sprühendes Feuerwerk in der Nacht oder eine stilisierte exotische Blüte vor dunklem Grund: Die Formen, die sich aus Birgit Brandis‘ gedruckten und gemalten Farbschichten herauslösen, changieren zwischen konkret und abstrakt, wieder erkennbar und nicht festlegbar. Die in Hamburg lebende Künstlerin, die an der Kunstakademie Karlsruhe bei Gustav Kluge studierte, ist auch technisch sehr vielseitig. Malerei und Druckverfahren gehen in ihren Arbeiten ineinander über, freier Gestus trifft auf strenge Rasterungen und Rahmungen.

Mit der Ausstellung „Strata“ – der Titel ist der archäologischen Forschung entlehnt und bezieht sich auf die Klassifizierung der verschiedenen freigelegten Schichten – präsentiert die Galerie Levy nun bis zum 18. September erstmals Arbeiten der Künstlerin, die 2010 mit dem 6. Grafikpreis der Griffelkunst Hamburg ausgezeichnet wurde. Nach eigener Aussage lässt sie sich von den visuellen Erscheinungen des Alltags inspirieren. Beobachtungen am Wegesrand, die ihr auf ihren Gängen durch die Stadt begegnen, darunter „korrodierte, mehrfach übermalte Stahloberflächen, verwitterte Bretterzäune oder Autospuren im Schnee“, fließen in ihre vielschichtigen Kompositionen ein.
In ihrer aktuellen Ausstellung zeigt Birgit Brandis eine Auswahl von neueren, weitgehend großformatigen, von filigranen Elementen und gegenläufigen Bewegungen erfüllten, farbig und motivisch stark ausdifferenzierten Papierarbeiten. Teils mit Fotoklemmen beiläufig an der Wand befestigt, vermitteln sie Leichtigkeit, etwas Schwebendes. Parallel dazu entsteht auf Basis der Druckstöcke eine reliefartig-räumliche Malerei, die skulpturale, zeichnerische und gestische Aspekte verbindet. Als variabel verwendbares Material für ihre Druckstöcke und ihre daraus hervorgehende Malerei hat die Künstlerin Styrodur entdeckt, ein Isoliermaterial, das auf Baustellen zum Einsatz kommt.
Baustellen faszinieren sie, da hinter dem visuellen Chaos ein hohes Maß an Organisation und Ordnung steckt. „Solche Zwischenzustände“, sagt die Künstlerin, „wandern dann in die Bilder ein als Denkanstöße, die einen Malprozess auslösen.“ Die Betrachter sollen dabei selbst genug Raum für eigene Assoziationen erhalten: Gedankenspiele, die von Asphaltblumen zu den Sternen führen können.