Augsburger Allgemeine

Allgemein 8. Februar 2016

21. November 2015 00:38 Uhr

Kunstverein Ulm

Farben außer Rand und Band

Birgit Brandis zeigt abstrakte Malerei zwischen Experiment und Fleißarbeit. Und das nicht nur an den Wänden

Die Malerei hat die Wände verlassen: die Hamburger Künstlerin Birgit Brandis neben einer ihrer Farbschüttungen beim Kunstverein Ulm.

Foto: Alexander Kaya

Keine Angst, das geht wieder weg: Im Schuhhaussaal hat sich die Malerei selbstständig gemacht. Kleine, amorphe Inseln aus Farben zieren das Parkett. „Bodenschüttungen“ nennt die Künstlerin Birgit Brandis diese Werkgruppe, für die sie Farbe aus Eimern auf den (abgedeckten) Boden gießt. Diese fließt ineinander, in einem scheinbar zufälligen Prozess, der mehr Experiment als geordneter Malakt ist. Die Künstlerin überlässt die Kontrolle ihrem Material. Jedenfalls zum Teil.

Birgit Brandis, 1976 in Heidelberg geboren, an der Kunstakademie Karlsruhe ausgebildet und inzwischen in Hamburg zu Hause, ist eine Künstlerin, die den Malereibegriff weit fasst und widersprüchliche Ansätze aufeinanderprallen lässt, bisweilen sogar innerhalb eines Bildes. Für „Nachlese“ etwa verspritzte sich zunächst nach Jackson-Pollock-Art Farbe über eine Holzfaserplatte – um danach die Räume zwischen den Farbwirbeln mit dem Schnitzmesser herauszukratzen: wildes, gestisches Action Painting und mühevolle Fleißarbeit zugleich. Andere Bilder entstehen dadurch, dass Brandis auf einem Untergrund auf dick aufgetragener schwarzer Acrylfarbe Linien aus weißer Farbe setzt – und danach das Bild kurz kippt. Dadurch entstehen Muster, die an Höhlendecken erinnern.

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Birgit Brandis’ Werk ist kein Votum gegen die klassische Malerei, sondern ein Produkt der Experimentierfreude und der Lust am Spiel mit dem Grundstoff Farbe. Der ist auch der Hauptdarsteller bei dem Diptychon, das der Ausstellung den Namen gab: „Es war das Blau.“. Zwei Bilder, die wieder durch ein Experiment entstanden. So verdünnte Brandis dafür Acrylfarbe so stark, dass sie an manchen Stellen erodierte, wodurch Gebilde entstanden, die an Wolken oder Satellitenaufnahmen von der Erdoberfläche erinnern. Doch Zufallsprodukte sind Brandis’ Bilder nicht. Denn sie setzt dem Chaos immer Ordnung entgegen. Etwa durch aufgedruckte Elemente oder Strukturen, die sie in die von ihr als Untergrund bevorzugten Holzfaserplatten kerbt.

„Es war das Blau“ ist die letzte Ausstellung im „Jahr der Malerei“, das der Kunstverein ausgelobt hatte – und ein idealer Abschluss. Denn Brandis zeigt die Grenzen dieser Kunstgattung auf und überwindet sie gleichzeitig. Da passt es gut, dass die Malerin für die Ulmer Ausstellung zur Bildhauerin wurde: Aus Pappe, die sie mit Sprühfarbe an den Rändern einfärbte, baute sie eine 13. Säule für den Schuhhaussaal. „Malefiz“ hat die Künstlerin das Werk genannt – wie die böse 13. Fee aus Disneys „Dornröschen“.

„Es war das Blau“ wird heute, Samstag, um 19 Uhr beim Kunstverein Ulm, Kramgasse 4, eröffnet. Morgen, Sonntag, um 11 Uhr führt Birgit Brandis selbst durch die Ausstellung. Öffnungszeiten: Mittwoch bis Freitag, 14-18, Samstag/Sonntag 11-17 Uhr. Zur Ausstellung erscheint demnächst ein Katalog im Kerber-Verlag (136 Seiten, 36 Euro).

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